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Tiere lieben, Tiere töten

  • Maren
  • 15. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit

Folgendes begegnet mir immer wieder: Menschen, die nicht vegan leben und sagen, dass sie Tiere lieben. So sind z.B. Profile, in denen sowohl die eigene Tierliebe betont, als auch die Liebe für Schweinesteak zum Ausdruck gebracht wird, keine Seltenheit. Tatsächlich gibt es wohl nur wenige Menschen, die sich nicht als "tierlieb" bezeichnen würden, und gleichzeitig lebt nur ein Bruchteil dieser Menschen vegan. Offenbar wird das von der Mehrheit der Bevölkerung nicht als Widerspruch wahrgenommen. Im Angesicht des enormen Leids und Unrechts, welches Tiere durch den Konsum von Tier"produkten" erfahren, frage ich mich, wie das möglich ist.

Ich sehe dafür insbesondere diese Gründe, die ich im Folgenden näher beschreiben werde:



Die Definition von "Liebe" ist nicht eindeutig


Lieben kann heißen, etwas schön zu finden, etwas zu genießen: Ich liebe die Sonne, ich liebe den Strand, ich liebe gutes Essen. Liebe hat hier nichts mit Wohlwollen zu tun, es geht vielmehr um das eigene Wohlbefinden. Man liebt etwas, weil es einem gut tut.

Tiere lieben bedeutet dann: Ich fühle mich gut in Gegenwart von Tieren, ich finde Tiere süß, Tiere geben mir ein Gefühl von Freude/Geborgenheit und so weiter.

Das Tier wird hier nicht als für sich stehendes Lebewesen mit eigenen Bedürfnissen gesehen, sondern als Instrument für die Erfüllung der Bedürfnisse des Menschen.

Innerhalb dieser Definition kann ein Mensch lebende Tiere und für ihn getötete Tiere gleichermaßen lieben, ohne dass ein Widerspruch entsteht: Ich liebe diesen Hund, denn er ist immer freundlich zu mir. Ich liebe dieses Pferd, denn es macht mir Spaß, darauf zu reiten. Ich liebe dieses Schweinesteak, denn es schmeckt mir sehr gut.



Die Definition von "Tiere" wird ungenau verwendet


Ein anderer Mechanismus ist der, dass man "Tiere" sagt, aber damit nur eine bestimmte Gruppe von Tieren meint. Tiere sind dann z.B. Hunde, Katzen und Pferde. Oder Tiere sind nur solange Tiere, wie sie in einem angenehmen Kontext gesehen werden können. Dann kann ein Schwein in einem Film süß und liebenswert sein, während ein Schwein in einem Schlachthof nur ein "Nutztier" ist, welchem die Persönlichkeit abgesprochen wird, es ist dann nur noch eine Nummer ohne Bedeutung. Das bringt uns zum nächsten Grund.



Tier und "Produkt" werden als getrennt voneinander wahrgenommen


Für viele Menschen ist das Schweinesteak oder die Kuhmilch im Supermarkt einfach nur das: ein Steak und ein Liter Milch. Sie sehen nur das "Produkt" und nicht, was es wirklich ist. Ein Tier ist dann ein lebendes Tier auf der schönen grünen Wiese, und ein Steak ist etwas, das man braten und essen kann. Innerhalb dieser Logik können Menschen dann sehr berührt/verärgert/traurig sein, wenn sie eine Geschichte über ein einzelnes Tier lesen, dem ein Mensch Leid zugefügt hat, während sie am selben Tag Tier"produkte" essen, ohne das Leid der davon betroffenen Tiere überhaupt wahrzunehmen. Eng mit diesem Mechanismus verbunden ist der folgende:



Illusionen über Ausbeutung und Tötung werden geschaffen und aufrecht erhalten


Wenn Menschen von der Trennung von Tier und "Produkt" abweichen, dann berufen sie sich auf positive Illusionen: Das Tier hatte ein gutes Leben, das Töten war "human".

Bei Milch und Eiern fällt diese Illusion besonders leicht, da die meisten Menschen hier fälschlicherweise annehmen, dass Tiere dafür nicht getötet werden. Das enorme Leid, welches Kühe und Hühner erfahren, wenn Menschen sich ihre Milch und ihre Eier nehmen, ist entweder nicht bekannt oder wird einfach ausgeblendet.


Manche Menschen, die mit Informationen über das tatsächliche Leid des Tierkonsums in Kontakt gekommen sind, versuchen, ihre Illusion damit aufrechtzuerhalten, dass sie Gesehenes als Einzelfälle darstellen, während andere Menschen jeglichem Einblick in die Tierausbeutung und Tötung von vornherein gezielt aus dem Weg gehen. Es ist tatsächlich nicht unüblich, dass nicht vegane Menschen sich entsprechende Videos nicht ansehen mit der Begründung Tierleid nicht ertragen zu können. Das bedeutet aber nicht, dass sie es nicht weiter verursachen können, was sie jedoch ausblenden.


Eine extreme Form der Illusion ist die Aussage: "Das Tier hat mir sein Fleisch/seine Milch/seine Eier geschenkt/gegeben." Das sind Worte, die die Realität gänzlich ignorieren und dem Tier selbst die Verantwortung für das zuschreiben, was ihm von Menschen angetan wird. Denn Schenken ist etwas freiwilliges, das vom Schenkenden ausgeht. Das Tier hat demnach seine Wahl selbst getroffen: Ausgebeutet und getötet zu werden.

Bei all den illusionären Aussagen geht es immer um folgendes:

Menschen schaffen sich eine Sichtweise, durch die sie ihren Konsum sich selbst gegenüber als positiv wahrnehmen und nach außen hin entsprechend darstellen können. Sie können sich so als "tierliebende" Menschen sehen, auch wenn ihr Verhalten im Widerspruch dazu steht. Diesen Widerspruch zu erkennen wäre nicht nur unangenehm, es würde auch eine Verhaltensänderung erfordern, um Verhalten und angestrebtes Selbstbild wieder in Einklang zu bringen.


Die beschriebene Sichtweise ist gesellschaftlich stark etabliert und wir wachsen damit auf. Zusammen mit falschen Annahmen über die vegane Lebensweise trägt das erheblich dazu bei, dass es Menschen schwer fällt sich davon zu lösen.



Eine Sichtweise, die wirklich liebevoll ist


Wenn man all das bedenkt, ist es leider nicht verwunderlich, dass immer wieder Menschen sagen, dass sie Tiere lieben, obwohl sie diese ausbeuten und töten lassen.


Wenn ich solche Aussagen lese, nervt und frustriert es mich, aber eigentlich macht es mich traurig, denn diese Aussagen repräsentieren, wie Tiere in unserer Gesellschaft gesehen werden und was das für Konsequenzen für sie hat.

Ich wünsche mir sehr, dass immer mehr Menschen von dieser Sichtweise zu folgender kommen:


Tiere sind keine Objekte, sie sind nicht für den Menschen da, sondern sie existieren mit uns auf diesem Planeten. Sie sind empfindungsfähige Lebewesen mit eigenen Bedürfnissen. Sie verdienen Respekt und Rücksicht so wie wir Menschen auch. Sie brauchen keine Menschen, die sie aus Eigennutz "lieben", sondern solche, die ihren von Menschen unabhängigen Wert und ihr Recht auf Leben anerkennen.



Ein einzelnes Reh im Hintergrund einer Wiese im Nebel


Foto: Joanna, Unsplash

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